Mittwoch, 26. November 2008

zimmer 412

jeder mensch trägt ein zimmer in sich. diese tatsache kann man sogar durch das gehör nachprüfen. wenn einer schnell geht und man hinhorcht, etwa in der nacht, wenn alles ringsherum still ist, so hört man zum beispiel das scheppern eines nicht genug befestigten wandspiegels. [kafka]. es ist, als zögen pferde mit wehenden zügeln das zimmer einer kutsche gleich durch die stille lauer kissen. in den spalten der kammer stecken zettel, gefaltet zu kranichen, sperbern und eidechsen. eng schließt seite an seite, schmiegt sich das papier wange an wange. man sagt es seien heimliche wünsche.
bei jedem tritt knarren die dielen unter den schritten der hin- und herschlagenden flügel, flattern unter den brettern ängstlich die herzen vergrabener stunden, tauchen die gedanken ins silberne wasser in dem sich der liegengebliebene tag spiegelt. schwäne schlagen am ufer ihre köpfe gegen die steine bis sich das blut mit den netzen mischt, die fischer für die katzen ausgeworfen haben.
wenn sich das holz beginnt unter den schritten zu dehnen, spielen vögel auf dem schienbein eines jungen mädchens, trällern sie händels water musick suite in d major. in einem totentanz wecken sich schatten zu träumen, sammeln sie sich durch mund und nase in die welt zu schauen, ohne arglist und doch befremdlich. auf der stirn regt sich der erste schweiß und an den fensterscheiben stockt das salz zu manischen blüten.

Samstag, 1. November 2008

Montag, 13. Oktober 2008

Der Koffer


Die Schiebetür öffnet sich. Mit einer atemlosen Bewegung zwängt sich Rosianna durch die schmale Öffnung, die sich wie ein Schrein vor ihr auftut. "Tabernakel", denkt sie und zieht ihren Koffer hinter sich her wie eine schwere Eisenkugel. Dazu trägt sie einen grünen Schal mit einem breiten lila Streifen. Ein junger Mann huscht an ihr vorbei und eilt an eines der hinteren Gleise. S-Bahn Richtung Osterburken. Die Tafel mit den Ankunftszeiten und Abfahrten wird aktualisiert. Einige der rotierenden Plättchen sind hängengeblieben. Noch einundzwanzig Minuten.
Die Luft über den Gleisen ist lau. Mit der Rolltreppe hat auch der Wind den Betrieb eingestellt. Der Beton ist noch aufgewärmt vom Geschwätz der Reisenden, ihren Umarmungen und Tritten. Die Läden haben schon geschlossen. Der Zeitschriftenladen existiert nicht mehr. Der Inhaber hat aufgegeben. Die übrigen Auslagen sind hinter Rollgittern verschwunden. Die Taschenreisepläne, der Kaffeewagen. Die messingfarbenen Zeiger der Bahnhofsuhr gehen im Kreis ohne sich umzudrehen. Niemand der dasteht sie zu verabschieden - für eine weitere Stunde. Das Zaumzeug richtet ihnen den Blick aus. Der Minutenzeiger wiederholt sich, wiederholt sich, weniger als einundzwanzig Minuten.
Wie Tran ergießt sich das Licht aus silbernen Schüsseln in die Bauchhöhle des Bahnhofs. Eine S-Bahn wartet auf Gleis 1. Letzte Passagiere, letzte Reisende steigen aus. "Ein gerissener Zwölffingerdarm", denkt sie. Am Zugang zu Gleis 3 ist eine Reklametafel ausgefallen. In Falten hängt das Plakat hinter der Scheibe. Ein Betrunkener mit Wollmütze auf den fettigen Haaren angelt mit seinem von Schmutz und Hornhaut dick gewordenen Finger nach einem Stückchen Bronzehaut.
Mit weißen Knöcheln zieht Rosianna ihr Buch aus der Tasche, steckt es in ihren Mantel, holt Schwung und lässt den Koffer auf das stille Gepäckband poltern. Das Gepäckband reagiert nicht. Müde zuckt eine Taube, die es sich auf dem grau getünchten Treppenabsatz bequem gemacht hat. Eine Ratte, dann zwei huschen über das Schotterbett. Wie ein ungehorsames Kind zerrt Maditha den Koffer hinter sich her. Mal nimmt sie zwei Stufen, dann wieder nur eine. Das ungehorsame Kind stolpert hinter ihr her. Eine der Rollen hat sich gelockert. Immer wieder schwankt sie, schwankt der Koffer. "Bitte zurücktreten, Durchfahrt an Gleis 4." Der rasende Zug nimmt Rosianna den Atem. eine Wand aus Wasser, eine Wand aus Staub. Der Sog zieht sie näher ans Gleis, zwei Schiffe die sich in einem engen Kanal begegnen.
Ihr Fuß spielt mit einem abgerissenen Schnürsenkel. Mit der Hand macht sie sich Knoten ins Haar. Unter einer Bank liegt ein Schnuller. Wo vorher Spucke war, kleben jetzt Staub- und Aschereste. Die Gleise, wie Quecksilberschnüre, liegen nur da. Eine Frauenstimme kündigt den einfahrenden Zug an.
Aus der Türöffnung dringt der konservierte Atem der Reisenden, der Geruch von Koffern und dem mit Gummi unterlegten Teppichboden. Sie wuchtet ihren Koffer erst auf die unterste Stufe, dann auf die nächste. Als sie nach dem Handlauf greift, schließen sich die Türen. Ihr Koffer steht im Foyer. Der Schaffner pfeift. Das Signal zur Weiterfahrt. Der Koffer schwankt, als sich der Zug in Bewegung setzt. Auf dem Bahnsteig liegt ein Buch. Jemand muss es verloren haben.



Dienstag, 29. Juli 2008

der schild der corona














auf dem schild der corona dröhnt das schlagen
der faust das schlagen der
meldereiterin auf ihrem weg durch das karwendelgebirge
schlägt sie mit ihrer faust
ballt sie ihre faust
reitet sie bringt sie nachricht
die gebundene rotation trägt sie bei sich
die erinnerungen zu einem schacht verengt
trägt sie bei sich die faust auf dem schild
die nachricht
das schlagen der meldereiterin auf dem schild der corona
das dröhnen der meldereiterin im karwendelgebirge
die gebundene rotation ihrer gedanken trägt sie bei sich

Freitag, 30. Mai 2008

moleunddamm

ich bin des kampfes müde geworden

deine tigeraugen bieten mir heimat

die zeit dein rücken ein schild für meinen

weißen hunger.


in deinem haar sollen die

tauben nisten und unter deinen armen

will ich perlen züchten jenseits aller schalen

und winde


in deinem hafen duftet es nach regen

und erde

Mittwoch, 21. Mai 2008

statement

es ist kein gutes gefühl jemandem die pest an den hals zu wünschen

der verstand entmenschlicht und auch die kunst siehe künstlich ist nur eine weitere entmenschlichung der natur. es ist zeit die ziele klar zu definieren und die voraussetzungen auszuloten. es bleibt schlicht müßig zu versuchen mit dem verstand zu erfassen was die natur was der instinkt uns diktiert. und zwecklos das vegetative durch mehr oder weniger artikulierte kehllaute schrift sprache kunst deutlich machen zu wollen. noch ist keine sprache gefunden. es bleibt ein herumstochern im nebel. die zeit des individualismus ist längst nicht angebrochen. wir leben in einer götterdämmerung in der wir das selbstbestimmsein ahnen können ohne eine vorstellung davon zu haben. die gemeinschaft der menschen ist zu groß so dass mehr als eine koexistenz kaum noch möglich ist. die individualität ist ein luxus den wir uns nicht leisten können. wir sind nur ein schatten der möglichkeiten.

Montag, 10. März 2008

Samstag, 1. März 2008

161 zentimeter und kein bißchen weise

wenn man etwas will, dann muss man sich selbst darum kümmern. eine einfache binsenweisheit, aber dabei leider so brachial banal und darum wahr, wie eine schlagzeile in der bildzeitung. so werde ich also wieder einmal die erwachsene spielen müssen und meinem potentiellen post-arbeitgeber mitteilen, dass ich mich zwar freue ins rampenlicht gerückt zu werden, dass meine bewerbung aber bereits abgelehnt wurde. dann gilt es abzuwarten und der dinge zu harren, die da kommen mögen. und wenn ihr mich fragt - es wird nichts gutes sein. der schöne sonntagsdienst für den ich sonst fünf lokaltermine wahrnehmen müsste, wird wie eine persönliche aktennotiz in den niederungen eines städtischen archivs verlustig gehen. vielleicht sollte ich mich damit abfinden. einfach damit abfinden können, dass nichts läuft wie man es plant. aber die neckarbegradigung war doch auch erfolgreich verdammt

Mittwoch, 13. Februar 2008

zweihoch

kichererbse kommt von cicer [lat.] und heißt deshalb soviel wie erbserbse obwohl es vielleicht besser kicherbeere heißen sollte

es ist so leicht dich zu lieben

auf dem seil

in körben aus geflochtenem gras trage ich gestirne von obst und weihrauch in meinen schlaf. zwischen den maschen der jalousie düstert der tag herauf. auf dem boden verstreut liegen die henkel von trauben. kernlos. neutronen meines hungers - meines unstillbaren eifers nach greifbarkeit.
um den mit federn und spiegeldecken geschmückten zirkuspferden zu entkommen erfinde ich namen. jeweils zehn. beginnend mit dem gleichen buchstaben. manchmal sind es auch tiere.
dann falle ich zurück in meine einsamkeit meinen raum der stille wo helle stimmen ewig flüstern und die zeit zu einem endlosen beben wird. und fülle auch dir den becher. denn du bist mein messer mein trost meine herrlichkeit